Learning Analytics

Wie können wir die Lernerfahrung von Studierenden verbessern und damit ihren Lernerfolg steigern?

02. May 2019, Manuel Nitzsche, Instructure

Lernerfolg durch KI

Diese Frage stellen sich nicht nur Hochschulen, auch Hersteller von Learning Management Systemen. Denn ein Learning Management System unterstützt ja nicht nur organisatorische Prozesse und die Lehrenden, sondern auch Studierende beim personalisierten Lernen. Dabei übernehmen Studierende eine grosse Verantwortung für ihren Lernerfolg, Lehrende hingegen werden zu Lerncoaches. Und in jedem Schritt des Lernprozesses entstehen Daten. Diese Daten zusammenzuführen, miteinander in Bezug zu setzen und dann sinnvoll auszuwerten ist das Ziel von Learning Analytics. In einer Reihe von drei Blogposts wollen wir uns mit den Methoden, Zielen und Herausforderungen des Learning Analytics befassen. Im heutigen Beitrag geht es zunächst um die Methoden.

Daten, das neue Öl

Der personalisierte Lernprozess erzeugt eine riesige Menge an Daten. Wann nutzt ein Studierender die Lernmaterialien, in welcher Reihenfolge, und welche Medien? Besonders im Hinblick auf Lerntrends wie Micro-Learning oder Augmented Reality spielen so viele Faktoren eine Rolle, dass eine manuelle Auswertung nicht mehr möglich ist. Um aus den Daten Informationen über die Einflussgrösse für den Lernerfolg zu ziehen, müssen daher wie in der Wirtschaft moderne Methoden der automatischen Datenauswertung genutzt werden. Die Folge: Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Deep Learning und andere Schlagwörter aus dem Bereich Business Analytics spielen auch für Learning Analytics eine zunehmende Rolle.

Künstliche Intelligenz, …

Doch was steckt hinter diesen Schlagwörtern? In seiner umfassenden Übersicht zur Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) „The Quest for Artificial Intelligence“ (https://ai.stanford.edu/~nilsson/QAI/qai.pdf) schreibt KI- und Robotik-Pionier Nils John Nilsson, dass KI Maschinen intelligent machen soll und ihnen somit erlaubt, in ihrer Umgebung angemessen und vorausschauend zu funktionieren – im besten Fall sogar besser als der Mensch. Nach dieser Definition ist auch eine Lampe mit Bewegungssensor eine intelligente Maschine. Dabei befolgt sie eine einfache Regel: Wann immer der Sensor Bewegungen meldet, wird das Licht angeknipst. Doch solche Maschinen stoßen schnell an ihre Grenzen: Wie unterscheidet der Bewegungssensor zwischen der Nachbarskatze und einem potentiellen Einbrecher? Ähnliche Herausforderungen ergeben sich im Learning Analytics: Fällt ein Studierender durch den Probetest, profitiert er sicherlich von der Wiederholung der Lerninhalte. Aber welche Lerninhalte sind für welchen Studierenden besonders hilfreich?

…, Machine Learning, …

Hier kommt Machine Learning (ML) ins Spiel. Dabei handelt es sich um statistische Methoden, mit deren Hilfe Maschinen aus Daten lernen können. Im Kern geht es darum, dass die fest vorgegebene Regel durch einen Datensatz ersetzt wird, an dem die Maschine mehr oder weniger selbständig lernen kann. Für die Lampe mit Bewegungssensor werden also für ML zwei zusätzliche Komponenten nötig: Erstens eine Datenbank, in der unterschiedliche Bewegungsmuster mit der Information „ungefährlich“ und „gefährlich“ verknüpft sind. Und zweitens einen Computer, der solche Verknüpfungen mithilfe eines Algorithmus auswertet, das vom Sensor erfasste Bewegungsmuster interpretiert und anschließend nur beim Ergebnis „gefährlich“ die Lampe anschaltet. In diesem klassischen Anwendungsfeld von überwachtem Lernen („Supervised Learning“) kann der Algorithmus auf eine Datenbank zugreifen, die die relevante Kategorisierung gefährlich/ungefährlich für jede einzelne Konstellation gleich mitliefert. Beim unüberwachten Lernen („Unsupervised Learning“) hingegen muss der Computer ohne vorgegebene Klassifikation auffällige Muster erkennen. Beispiel gefällig? In der Datenbank zu Prüfungsergebnissen sind auch die Stunden verzeichnet, die ein Studierender sich mit den Lernmaterialien beschäftigt hat. Sowohl Studierende mit sehr niedrigen als auch Studierende mit sehr hohen Werten erzielen schlechte Testresultate. Ein entsprechender unüberwachter ML-Algorithmus kann diese Beziehung aus der Vielzahl von Daten herausfiltern und aktuelle Kursteilnehmer als potentielle Durchfallkandidaten klassifizieren. Mit ihrer Erfahrung können Lehrende dann individuell auf beide Gruppen eingehen: die erste Gruppe hat (noch) nicht gelernt und braucht vielleicht nur eine Erinnerung an den Prüfungstermin, die zweite hat Verständnisschwierigkeiten und braucht inhaltliche Unterstützung.

… und Deep Learning

Deep Learning (DL) ist eine Methode des ML, die sich an der Struktur des menschlichen Gehirns orientiert: Daten werden nicht direkt mit dem Ergebnis in Zusammenhang gesetzt. Stattdessen werden in vielen Einzelschichten jeweils unterschiedliche Informationen aus den Daten extrahiert, an die nächste Schicht weitergeleitet, dort weiterverarbeitet und erst ganz zum Schluss mit dem beobachteten Ergebnis in Beziehung gesetzt. Das ist weniger kompliziert als es klingt. Beim Bewegungsmelder könnte der Algorithmus beispielsweise zunächst die Grösse des sich bewegenden Objekts untersuchen (erste Schicht), dann die Anzahl der Extremitäten (zweite Schicht) und so weiter. Als „gefährlich“ werden dann Objekte klassifiziert, die entweder mittelgroß sind und vier Extremitäten (ein Einbrecher) haben oder sehr groß mit acht Extremitäten (zwei Einbrecher – oder eine Riesenspinne). Da DL-Verfahren sehr rechenintensiv sind und besonders bei großen Datensätzen Vorteile bieten, werden sie aktuell vor allem von grossen Technologieunternehmen eingesetzt. So hat das Google Brain-Projekt beispielsweise 2011 herausgefunden, dass sich im Internet drei Kategorien von Bildern finden: Menschliche Gesichter, menschliche Körper – und Katzen. Auf den Learning Analytics-Bereich angewandt: DL-Algorithmen können Studierende in (fast) allen Facetten ihres individuellen Lernverhaltens erfassen und den optimalen Lernpfad vorschlagen. Auch wenn der Einsatz von DL heute noch an vielen Hochschulen Zukunftsmusik ist – das Potential ist enorm.